Prinz Max zu Wied

Leben und Werk

Begleitschrift zur Ausstellung im Landschaftsmuseum Hachenburg 1994

Brasilianische Indianer

Wenngleich Wied in erster Linie Zoologe war, besaß er von Anfang an ausgeprägtes Interesse für die amerikanischen Ureinwohner. Indem er sorgfältig seine Beobachtungen aufschrieb und bildlich skizzierte, schuf er einmalige Dokumente von Völkern, die schon etwa ein Jahrzehnt später viel von ihrer angestammten Kultur verloren hatten und als Völker inzwischen längst untergegangen oder von der Zivilisation aufgesogen sind. Von gelegentlichen Begegnungen mit Angehörigen assimilierter Stämme wie der Goyatacaces und Machacalis abgesehen, konnte Wied sechs weitgehend intakte Völkerschaften näher kennenlernen: Botokuden, Camacán, Coroados, Coropos, Pataxó und Puri.

Botokuden

Botokuden oder Aymoré leben in geringer Zahl noch in Ostbrasilien. Wied verfaßte die erste authentische Monographie über sie.

Den Namen Botokudos haben sie von den großen Holzpflöcken, womit sie Ohren und Unterlippe verunstalten,- denn Botoque bedeutet im Portugiesischen ein Faßspund. Sie selbst nennen sich Engeräckmung, und hören es sehr ungern, wenn man sie Botokudos nennt. Ob sie gleich von der Küste verdrängt worden sind, so bleibt ihnen demungeachtet noch ein weiter Strich undurchdringlicher Urwälder zum ruhigen, ungestörten Zufluchtsorte frei. (..) Die Natur hat ihnen einen guten Körperbau gegeben.

Behandelt man sie mit Offenheit und Wohlwollen, so zeigen sie sich öfters ebenfalls sehr gutherzig, ja selbst treu und anhänglich. (Bras. Reise, zit. n. Scurla 5. 178, 186)

Spannend berichtet Wied von der ersten Begegnung mit Botokuden:

"Allein auf dem engen Pfädchen, welches zwischen den hohen Waldstämmen sich durchwand, stießen uns manche interessante Vögel auf. Wir schossen einige davon, und eben war ich im Begriff, einen derselben aufzuheben, als ich plötzlich durch den kurzen, aber unsanften Ton einer rauhen Stimme angerufen wurde. Schnell kehrte ich mich um, und siehe da, nahe hinter mir mehrere Botokuden! Nackt und braun wie die Tiere des Waldes standen sie da, mit den großen Pflöcken von weißem Holz in den Ohren und der Unterlippe, Bogen und Pfeile in ihrer Hand. Die Überraschung, ich gestehe es, war für mich nicht gering. Hätten sie feindselig gedacht, so war ich von ihren Pfeifen durchbohrt, ehe ich ihre Nähe überhaupt ahnden konnte. Jetzt trat ich keck zu ihnen hin und sagte ihnen, was ich von ihrer Sprache wußte. Sie drückten mich nach Art der Portugiesen an die Brust, klopften mir auf die Schulter und schrien mir laute, rauhe Töne entgegen, besonders aber riefen sie bei Erblickung der beiden Rohre einer Doppelflinte mit Verwunderung wiederholt: - »Pun Uruhú!« (mehrere Flinten).
Einige mit schweren Säcken beladene Weiber kamen nun, eine nach der andern, auch herbei, betrachteten mich mit gleicher Neugier und teilten einander ihre Bemerkungen mit. Männer und Weiber waren völlig unbekleidet. Die erstern waren von mittlerer Größe, stark, muskulös und wohlgebildet, jedoch meistens etwas schlank, allein die großen Holzpflöcke in den Ohren und der Unterlippe entstellten sie sehr,- sie trugen Bündel von Bogen und Pfeilen unter den Armen.

Die Liebe zu einem freien, rohen und ungebundenen Leben drückt sich dem Botokuden von früher Jugend an tief ein und dauert sein ganzes Leben hindurch. Alle jene Wilden, welche man aus ihren mütterlichen Urwäldern entfernt und in die Gesellschaft der Europäer gezogen hat, hielten wohl eine Zeitlang diesen Zwang aus, sehnten sich indessen immer nach ihrem Geburtsort zurück und entflohen oft, wenn man ihren Wünschen nicht Gehör gab. Wer kennt nicht die magisch anziehende Kraft des vaterländischen Bodens und der früheren Lebensweise!

Wo ist insbesondere der Jäger, der sich nicht nach den Wäldern zurücksehnt, die er von Jugend auf im Genuß der schönen Natur zu durchstreifen gewohnt war, wenn man ihn in das ängstlich treibende Getümmel großer Städte versetzt?"

Camacán

Bild: Camacan Indianer
Camacan-Indianer. März 1817.
Zeichnung: Prinz Max zu Wied.

Das Volk lebte nördlich des Rio Pardo im Staat Bahia. Im Gegensatz zu anderen Stämmen ließen sie die Haare lang herabfallen. Wied beschreibt sie als mäßig groß und breitschultrig mit markantem Gesicht. Er wohnte im März 1817 einer Festlichkeit bei und skizzierte sie.

Cayapó

Cayapó der südlichen Stammesgruppe leben in unbekannter Zahl noch in Minas Gerais und Goias, wo sie vor allem Maisanbau treiben.

Coroado = Purí

In unbekannter Zahl leben Angehörige des Volkes noch heute in Minas Gerais und Ostbrasilien.

Pataxó

Wied lernte sie an den Flüssen Rio Grande de Belmonte und Mucurí kennen. Die Skizze im Reisewerk zeigt ihre unverwechselbare Haartracht und die Angewohnheit, Säcke auf dem Rücken zu tragen und den männlichen Unterkörper zu verbinden. Man bemerkt aber auch die beginnende Inkulturation einzelner, die portugiesische Kleidungsstücke tragen.

Der Botokude Quäck

Bild: Portät des Nuguäck
Zeichnung des Botokuden "Quäck"

Der junge Botokude Quäck (eigentlich Nuguäck) gehörte im zweiten Teil der Reise fest zur Expeditionsmannschaft und ist auf drei Skizzenblättern Wieds festgehalten worden. Er vermittelte bei Begegnungen mit freien Indianern.

Bei der Rückreise nach Europa blieb Quäck zunächst in Salvador. Wied ließ ihn aber nachkommen. Am 12. Februar 1818 traf der Botokude dann in Neuwied ein.

Für die Bevölkerung war er eine exotische Sensation. Man ließ ihn Pfeil und Bogen vorführen. Bei den Kindern war er indes durch seine Handfertigkeit sehr beliebt. Dennoch scheint er nicht glücklich geworden zu sein. Eine Zeitung beschrieb sein Los folgendermaßen:

Da saß er, sich am heißen Ofen wärmend, ruhig, kalt, ernst, ohne eine Miene zu verziehen, oder sich um die begaffende Menge weiter zu kümmern, in sich selbst gekehrt. Wer ihn so bey der Lampe, einsam in der stillen Nacht erblickt hätte, könnte ihn leicht für einen in tiefes Nachdenken versunkenen Philosophen halten. (Reich der Todten 1818, Nr. 16, S, 121 f.)

Einsamkeit und Heimweh trieben ihn zu übermäßigem Alkoholgenuß. Während Maximilian Nordamerika bereiste, stürzte Quäck mitten im Winter betrunken aus dem Fenster im ersten Stock des Nebengebäudes und erfror.

Maximilian schrieb am 6. Januar 1835 an Carl Friedrich von Martius: Leider ist in meiner Abwesenheit mein guter armer Quäck (der Botokude) gestorben. Mein Bruder Karl hatte glücklicherweise kurz vorher ein trefflich sprechend ähnliches Bild in Öl gemalt, die Erinnerung bleibt uns nun recht lebhaft an ihn. (Läng 1977, S. 128)

Außer einem zweiten Gemälde von Prinz Karl gibt es noch das Quäck-Porträt von Friedrich Theodor Kloß (1802-1878), zu dem Maximilian handschriftlich vermerkte: Sehr ähnliches, von Herrn Cloß gemaltes Bild des Quäck, am 10. April 1832 vollendet. Quäck blaichte während des Winters imer etwas, dennoch ist hier seine Grundfarbe etwas zu weiß angegeben, indem sie eigentlich mehr ins Graubraune fiel. Die Züge sind sehr gut dargestellt. (Brasilien-Bibliothek Bosch, S. 168, Nr. 197)

Bild: Hütte der Botokuden
Eine Hütte der Botocuden am Rio Grande de Belmonte. Am 1. Sept. 1816 Zeichnung: Prinz Max zu Wied

Bild: Waffen der Puri
Waffen der Puri. Zeichnung: Prinz Max zu Wied

Bild: Reitender Brasilianer
Portugiesischer Pflanzer (Brasilianer) in seinem Poncho zur Stadt reitend Zeichnung: Prinz Max zu Wied

 Zurück zum Inhaltsverzeichnis Weiter zu Reise in das Innere Nordamerika