Prinz Max zu Wied

Leben und Werk

Begleitschrift zur Ausstellung im Landschaftsmuseum Hachenburg 1994

Reise nach Brasilien 1815 bis 1817

Nachdem Wied verschiedene Ziele, darunter vor allem Nordamerika, für die seit langem angestrebte Überseereise in Erwägung gezogen hatte, entschied er sich 1814 endgültig für Brasilien, wie er seinem Freund Schinz am 14. September brieflich mitteilte. Mehrere Gründe haben bei dieser Entscheidung mitgespielt. Brasilien, das siehe: Humboldt noch nicht hatte besuchen dürfen, gestattete seit 1808 die Einreise auch von Nichtportugiesen. Als Schüler von Blumenbach verdankten beide wichtige Hinweise offensichtlich ihrem alten Professor in Göttingen.

Wied hatte sich durch Lektüre einschlägiger Werke gut vorbereitet. Zitate im Reisebericht verraten ausgezeichnete Kenntnis der Literatur. Er führte unter anderem Jean de Léry (1534-1613), Hans Staden (1525/28 - ca. 1576), Charles Marie de la Condamine (1701-1774), Felix d'Azara (1746-1821), Adam Johann von Krusenstern (1770-1846) und Simao de Vasconcellos als Gewährsleute an. Der meistgenannte Autor ist freilich siehe: Humboldt, dessen "Ideen zu einer Geographie der Pflanzen" (1807) und "Ansichten der Natur" (1808) Maximilian gründlich durchgearbeitet hatte und als Richtschnur für seine Beobachtungen betrachtete.

Bei der Suche nach geeigneter Begleitung empfahl ihm der Berliner Zoologe Martin Lichtenstein (1780-1857) den Dichter und Naturforscher Baron Adelbert von Chamisso (Louis Charles Adelaide de Chamisso, 1781-1838), dem er aber absagen mußte, weil der Franzose die Kosten nicht aufbringen konnte. So griff der Prinz auf Bedienstete des Neuwieder Hofes zurück und engagierte den Jäger David Dreidoppel und den Gärtner Christian Simonis.

Anfang Mai 1815 fuhren sie mit einem Rheinschiff nach Holland, von wo sie nach England übersetzten. Am 15. Mai gingen sie in London an Bord des Seglers "Janus", der nach 72 Tagen am 16. Juli im Hafen von Rio de Janeiro einlief.

Bild: Das Segelschiff Janus
Der Janus segelt von London nach
Rio de Janeiro vom 6. Mai bis zum 21. Juli 1815.
Zeichnung: Prinz Max zu Wied.

Überwältigt von den ersten Eindrücken verlor Wied dennoch nicht den eigentlichen Zweck der Reise aus den Augen und suchte sofort Kontakte mit namhaften Intellektuellen und Reisenden, die sich auf der Facenda "Mandioca" an der Sierra da Estrela des russischen Generalkonsuls Georg Heinrich von Langsdorff (1774-1852) zu treffen pflegten. Hier legte der "Baron von Braunsberg", wie Maximilian sich in Übersee nannte, endgültig seine Reiseroute fest.

Die Capitania Minas Gerais schied weitgehend aus, da diese Gegend durch Wilhelm Ludwig von Eschwege (1777-1855) und den Engländer John Mawe (1764-1829) seit etwa 1810 wissenschaftlich bearbeitet wurde. Dagegen war Wied auf Besuche des deutschen Mineralogen Wilhelm Christian Gotthelf von Feldner (1772-1822) in die küstennahen Gebiete zwischen Rio de Janeiro und Salvador aufmerksam gemacht worden, wo dieser in unbekannten Gegenden unberührte Natur und freie Indianervölker angetroffen hatte.

Glückliche Umstände führten Wied mit dem Ornithologen Georg Wilhelm Freyreiss (1781-1825) und dem Botaniker Friedrich Sellow (1789-1831) zusammen, die mit bzw. wie Freyreiss durch Langsdorff (1813) nach Brasilien gekommen waren. Sie waren gerne bereit, Wied zu begleiten und ihm nicht zuletzt durch ihre Sprachkenntnisse hilfreich zu sein.

Die großzügige Unterstützung durch den brasilianischen Minister Silverio Jose Manoel de Araujo, Conde de Barca, ermöglichte am 4. August den Aufbruch von Sao Christovao nach Cabo Frio und weiter nach Villa de San Salvador dos Campos dos Goayatacases, dem jetzigen Campos, und zum Rio Paraiba, wo bei Sao Fidélis die erste Begegnung mit freien Indianervölkern - den Puri, Coroado und Patachó - erfolgte. "Francisco", ein noch in Rio de Janeiro engagierter Coropó, war als Dolmetscher tätig.

Die Flüsse Itabapuana und Itapemirim wurden Anfang November überquert.

Bild: Das Beladen eines Esels
Das Beladen eines Esels
Zeichnung: Prinz Max

Über Vila Nova de Benevente erreichte die "tropa" (Lasttierkarawane) am 17. November Goaraparim (Guarapari) und zwei Tage später Villa Velha do Espiritu Santo und die Cidade de Victoria, also Vila Velha und die heutige Landeshauptstadt Vitória, wo man die erste Post aus Europa empfing. Man verweilte während der Regenzeit südlich außerhalb der Stadt in Barra de Jucú an der Mündung des gleichnamigen Flusses.

Am 19. Dezember brachen Wied und Freyreiss vorzeitig auf und erreichten nach Durchqueren der Mangue-Sümpfe über Quartel do Riacho (= Riacho) den Rio Doce, den bedeutendsten Fluß zwischen Rio de Janeiro und Bahia ... in einem Bette ..., das uns noch einmal so breit als das unseres deutschen Rheins ... erschien. (-) Der Aufenthalt am Rio Doce war unstreitig einer der interessantesten Punkte meiner Reise in Brasilien, denn an diesem Flusse ... findet der Naturforscher auf lange Zeit Beschäftigung und die mannigfaltigsten Genüsse. (Bras. Reise 1, S. 2 10, 2 13). Man stieß flußaufwärts bis Linhares vor.

Am 30. Dezember ging es weiter über Barra de Sao Mateus (= Con ceicao de Barra) bei der Mündung des gleichnamigen Flusses und weiter nach Villa de S. José do Port' Allegre, gewöhnlich de Mucuri genannt .., am nördlichen Ufer des Flusses unweit seiner Mündung. (Bras. Reise 1). Nach zehntägigem Aufenthalt führte die Reise über Vicoza (= Nova Vicosa) nach Caravellas (= Caravelas) und zum Flusse Alcobaca und wieder zurück zur Facenda Morro da Arara am Rio Mucuri, wo man mit den übrigen Begleitern wieder zusammentraf.

Bei der Weiterreise nordwärts wurde Aufenthalt zu Morro d'Arara, zu Mucuri, Vicoza und Caravellas bis zur Abreise nach Belmonte gemacht. Nach vierwöchigem Verweilen brach Wied am 23. Juli 1816 von Caravelas auf nach Alcobaca und Prado, wo intensive Begegnungen mit den Patachó stattfanden. Über Comechatibá oder ... eigentlich Currubichatibä, heute Cumurixatibá, gelangte die Expedition zu den historisch bedeutsamen Orten Porto Seguro und Santa Cruz Cabrália.

Von Villa de Belmonte folgte Wied dem Rio Jequitinonha flußaufwärts bis Quartel dos Arcos in das Gebiet der Botokuden. Bleibende Frucht dieses wichtigen Reiseabschnittes ist die Monographie einer längst untergegangenen Welt. Erneut kam es auch zu Begegnungen mit den Patixó.

Am 28. September kehrte Wied nach Belmonte zurück. Er reiste noch einmal nach Caravelas und Mucuri, wo er Sellow und Freyreiss wiedertraf und mit ihnen drei Wochen verlebte. Am Rio do Prado oder Sucurucú, heute Rio Jucurucu, lernte er auch Angehörige vorn Stamme der Machacaris kennen.

Über Canavieiras und Una, wo die lange Ilha Comandatuba der Küste vorgelagert ist, führte der Weg weiter über Olivenca nach Ilhéus. Von hier wandte sich die Reisegruppe landeinwärts nach Sao Pedro d 'Alcantara und weiter vier anstrengende Wochen durch dichte Urwälder, bis am 31. Januar 1817 Barra da Vareda im Sertao erreicht war. Diese von Wied Catinga bezeichnete Landschaft ermöglichte das Studium der innerbrasilianischen Buschsavanne mit ihrer den Reisenden noch unbekannten Tierwelt. Man erreichte schließlich das Tal des Rio Pardo und gelangte bis an die Grenze von Minas Gerais.

Nun ging es zurück und in nordöstlicher Richtung nach Arrayal da Conquista (= Vitória da Conquista), wo es noch einmal zu Begegnungen mit den Camacán kam. Der Rio das Contas und der Rio Jiquiricá waren überquert, als Soldaten die Expedition gefangennahmen und nach Nazaré brachten. Man verdächtigte sie, englische Spione zu sein und gleiche Sache mit den Aufständischen in Salvador (Bahia) zu machen. Darüber und wegen des unnötigen Aufenthaltes war Maximilian sehr aufgebracht.

Nach Aufklärung des Irrtums setzte man die Reise über Jaguaripe fort, setzte zur Insel Itapirica und von dort nach Salvador (Bahia) über, dem Ziel der Reise, mehr als 1000 km nördlich von Rio de Janeiro.

Im Mai 1817 schiffte sich Wied mit Dreidoppel und Simonis auf der "Princesa Carlota" nach Europa ein. Über Lissabon und London kamen die Reisenden im August in Neuwied an.

Bild: Eine Botokudin
Eine Botocudin mit ihren Kindern.
Im Oktober 1816.
Zeichnung: Prinz Max zu Wied.

Bild: Kampf der Botokuden und Patschos
Gefecht der Botocuden und Pataschos.
August 1816.
Zeichnung: Prinz Max zu Wied.

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