Prinz Max zu Wied

Leben und Werk

Begleitschrift zur Ausstellung im Landschaftsmuseum Hachenburg 1994

Einführung

Anders als in Nord- und Südamerika war in seiner rheinischen Heimat das Andenken an Maximilian Prinz zu Wied seit seinem Tod im Jahre 1867 recht schnell verblaßt. Lediglich die in der Orangerie des Neuwieder Schlosses aufgebauten naturkundlichen und völkerkundlichen Sammlungsstücke bildeten noch längere Zeit einen Anziehungspunkt für den Fremdenverkehr. Vergessen war lange, daß Neuwied einst zu den ersten Adressen der wissenschaftlichen Welt gehörte. Übersehen blieb, daß die Ausstellung der Sammlung Maximilians, zusammen mit den Altertümern der fürstlichen Familie, das erste Museum im östlichen Mittelrheingebiet darstellten und damit sozusagen Vorläufer des Kreismuseums dortselbst, des Kreisheimatmuseums in Montabaur und schließlich des Landschaftsmuseums Westerwald in Hachenburg sind.

Generationen mußten vergehen, bis Dr. Josef Röder den gesamten Nachlaß des Prinzen ... aus den Versenkungen des Wiedischen Archivs zog. (H. Trimborn) Dennoch schien die Zeit immer noch nicht reif, um deren Bedeutung zu würdigen. Der Verkauf eines Großteils unschätzbarer Archivalien nach Amerika konnte nicht verhindert werden. Langfristig aber hat die Initiative von Josef Röder dann doch zu einer Art Wied-Renaissance geführt. Reichlich spät, aber dafür umso intensiver hat die Heimat ihren großen Sohn wiederentdeckt und mit der geistigen Aneignung seines Nachlasses begonnen. Die Etappen dieses Vorganges sind separat in einer chronologischen Übersicht zusammengefaßt.

Leider stand bei allen Bemühungen um das Wiedsche Lebenswerk der völkerkundliche Aspekt im Vordergrund, wozu die meisterhaften Indianerbilder von Karl Bodmer wesentlich beigetragen haben. Wied war jedoch primär Zoologe, der zunächst mit Unterstützung von Jagdfreunden eine naturgeschichtliche Sammlung nach damaligem Geschmack aufbaute. Unter dem Einfluß des Göttinger Professors Johann Friedrich Blumenbach, beflügelt durch das Vorbild Alexanders von Humboldt und angeregt über rege Korrespondenz mit zahlreichen Gelehrten entwickelte sich Maximilian vom Amateur zum Forscher.

Diese Ausstellung des Jahres 1995 berücksichtigt erstmals überhaupt das gesamte Spektrum des Wiedschen Schaffens. Dementsprechend nimmt die Naturkunde einen besonders breiten Raum ein, hinter dem die Völkerkunde etwas zurücktritt. Dies ist umso mehr vertretbar, als alle vorausgegangenen Ausstellungen zum Thema Wied ethnologischen Schwerpunkt hatten. Hier nun steht die Persönlichkeit des Prinzen im Mittelpunkt. Die chronologischen und inhaltlichen Segmente gliedern die Präsentation in einzelne Module. Auch darin setzt sie neue Akzente gegenüber bisherigen Veranstaltungen. Indem der heimatliche Lebensraum und die regionale Naturkunde ausführlich einbezogen werden, schält sich der geistige und emotionale Hintergrund heraus, in dem die Bestrebungen Maximilians ihre Wurzel haben. Somit ist diese Ausstellung auch kulturgeschichtlich von besonderem Interesse.

Historisch steht der Prinz zu Wied ganz vorne in der Reihe von Reisenden adeliger Herkunft, die während des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Kenntnis der außereuropäischen Länder beigetragen haben. Seine Passionen füllten ihn derart aus, daß sie sein ganzes Privatleben einnahmen. Er hat nicht geheiratet und keine intime Freundschaft gepflegt. Der fürstliche Hof bildete seine Familie.

Um einen lebendigen Zugang in diese verflossene Welt zu finden, reichen Lektüre und Aktenstudien nicht aus. Für die Konzeption der Ausstellung war das gütige Entgegenkommen Sr. Durchlaucht des Fürsten Friedrich Wilhelm zu Wied unschätzbar. Seine großzügige Gastfreundschaft öffnete den Zutritt bei Hofe und vermittelte eine Ahnung davon, welcher Art die Atmosphäre gewesen sein muß, in der Maximilian aufgewachsen ist.

Mindestens ebenso wichtig waren Aufenthalte an den noch erhaltenen Stätten in Bonn, Göttingen und Berlin, wohin der Prinz Kontakte unterhielt oder wo er Abschnitte seines Lebens verbrachte. Von besonderer Bedeutung und unstrittig Höhepunkte der biographischen Aneignung waren ausgedehnte Versuche, die Reisen in Brasilien und Nordamerika nachzuvollziehen. Der Ertrag dieser aufwendigen Unternehmungen konnte zum Teil für die Ausstellung fruchtbar gemacht werden, bleibt aber Aufgabe auch für die Zukunft.

Die vorliegende Schrift ist als Handreichung für Besucher der Ausstellung gedacht, die etwas tiefer in die Materie eindringen möchten. Sie versteht sich als Buch zum Nachlesen, wobei die Texte der Ausstellung zwar zugrundegelegt, aber doch meist erheblich erweitert und ergänzt sind. Vereinzelt wurde aus Bearbeitungen der Reisewerke zitiert, um das Verständnis zu erleichtern. Demnach versteht sich die Schrift also weder als Katalog, noch erhebt sie wissenschaftlichen Anspruch. Diesen möchte ein Aufsatzband erfüllen, der Ende des Jahres 1995 vorliegen soll.

In auffallendem Kontrast zu der Zurückhaltung, mit der das Thema in der engeren Heimat Maximilians aufgegriffen wurde, steht das lebhafte und günstige Echo, das es auswärts geweckt hat. Dank gilt allen Leihgebern und jenen Personen und Einrichtungen, die der Projektgruppe unmittelbar zugearbeitet haben. Hinzu kommen viele korrespondierende Interessenten. Ihnen allen gilt nicht zuletzt auch deshalb unser Dank, weil ihre Anteilnahme zu weiteren Studien auch über den Ausstellungstermin hinaus anspornt. Es sind Fragen dabei, die über die historische Rückbesinnung in die mitunter beklemmende Aktualität belasteter Naturlandschaften und bedrohter Völker - nicht nur in den von Wied bereisten überseeischen Ländern führen.

Das Landschaftsmuseum Westerwald hat die Ausstellung ermöglicht und alle technischen Voraussetzungen dazu geschaffen. Der Freundeskreis des Museums hat in bewährter und enger Zusammenarbeit mit dem Träger der Einrichtung, dem Westerwaldkreis, die Ausstellung großzügig finanziell unterstützt.

 

Dr. Hermann Josef Roth

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